Zeit zu reden Erinnerungskultur (2): Was bedeutet „Nie wieder ist jetzt“?

Eine kritische Diskussion über formelles Gedenken und multiperspektivisches Erkennen

23. Mai 2025, 19:00 – 22:00

Spore Initiative
Hermannstr. 86, 12051 Berlin

Wie kaum ein anderes Land ist Deutschland von seiner Erinnerungskultur geprägt. Die Lehren aus Nationalsozialismus und Holocaust haben die Entwicklung zu einer liberalen und demokratischen Gesellschaft entscheidend beeinflusst. Aus dem „Weltmeister im Völkermord“ wurde scheinbar ein „Weltmeister des Erinnerns“ – ein Land voller Gedenkstätten, Museen und Mahnmalen, mit Gedenktagen und Gedenkstunden im Bundestag. Und doch wissen die meisten Deutschen fast nichts über jüdisches Leben. Juden haben Angst, in der Öffentlichkeit Kippa zu tragen. Sinti und Roma werden rassistisch angefeindet. Und Politiker:innen begründen Gesetze oder Maßnahmen mit ausgrenzenden Parolen, die Ressentiments gegen Ausländer:innen, Muslim:innen, Geflüchtete, Palästinenser:innen und andere Gruppen schüren.

Was also läuft falsch am deutschen Erinnern? Was sind die Lehren aus dem Holocaust 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs? Welche Erinnerungskultur braucht Deutschland in Zeiten, in denen rechtsextremes und nationalistisches Denken erstarkt? Und was bedeutet der Satz „Nie wieder ist jetzt“? Uneingeschränkte Solidarität mit Jüdinnen und Juden, mit dem Staat Israel oder mit allen Menschen, die von Vernichtung bedroht sind – auch in Gaza?

Da die meisten Menschen in Deutschland keine persönliche Erinnerung an den Nationalsozialismus haben, muss aus dem Gedenken ein Lernen werden – nicht staatlich verordnet, sondern selbst erarbeitet. Expert:innen sprechen von multiperspektivischer Erinnerungskultur, die den Holocaust nicht nur aus deutscher Sicht betrachtet, sondern auch den Blick von außen zulässt. Denn um die Shoa zu begreifen, braucht es keine deutsche Abstammung, auch eigene Erfahrungen mit Flucht, Vertreibung und Rassismus können dabei helfen. Statt von zugewanderten Syrern, Ukrainern, Vietnamesen, Türken und Palästinensern ein Bekenntnis zum Staat Israel einzufordern, sollte der Holocaust als singuläres Menschheitsverbrechen im Mittelpunkt stehen.

Was bedeutet das für Politik, Bildung und Zivilgesellschaft? Wie sieht eine Erinnerungskultur aus, die der spezifisch deutschen Verantwortung gerecht wird und dabei den allgemeingültigen Lehren aus dem Holocaust verpflichtet bleibt?Die Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Mercator statt

Teilnehmer*innen: Wolfgang Benz, Sarah El Bulbeisi, Asal Dardan und Gerhard Hanloser

Moderation: Kristin Helberg