Während die Mitgliederzahlen von Parteien sinken, engagieren sich immer mehr Menschen in zivilgesellschaftlichen Initiativen, Vereinen und Nicht-Regierungs-Organisationen. Diese müssen sich in ihrer gemeinnützigen Arbeit zwar an die eigenen Satzungsziele halten, aber das schließt den Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und andere im Grundgesetz verankerte Werte nicht aus.
Autoritären Kräften ist dies ein Dorn im Auge – sie versuchen mit Desinformation und Diffamierung das Verschwörungsnarrativ einer übermächtigen und parteipolitisch agierenden Zivilgesellschaft zu zeichnen. Fördergelder und Stellen werden gestrichen, Beteiligungs- und Klagerechte infrage gestellt, demokratische Handlungs- und Diskussionsräume eingeschränkt – vor allem im Zusammenhang mit palästinasolidarischer Arbeit. Im Dezember 2025 stufte der CIVICUS Monitor den zivilgesellschaftlichen Handlungsraum in Deutschland deshalb auf „beschränkt” herab.
Besonders betroffen sind lokale und migrantisch gelesene Initiativen, aber auch in der Mehrheitsgesellschaft verwurzelte große NGOs werden angefeindet. In ihrer kleinen Anfrage vom Februar 2025 forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, staatlich geförderte Vereine auf ihre politische Neutralität hin zu prüfen – von Umweltverbänden wie Greenpeace und BUND über gesellschaftspolitische Initiativen wie Campact und Omas gegen rechts bis zu kritischen Medienformaten wie CORRECTIV und Netzwerk Recherche.
Aber wie neutral sollte zivilgesellschaftliches Engagement angesichts des Aufstiegs verfassungsfeindlicher Parteien sein? Wie unpolitisch können Vereine in Zeiten von steigender und politisch propagierter Menschenfeindlichkeit sein? Muss ein Tierschutzverein schweigen, wenn demonstrierende oder Schutz suchende Menschen angegriffen werden? Sollen kritische Journalisten nicht die Politiker nennen, die Medien- und Meinungsfreiheit einschränken wollen? Und warum dürfen palästinasolidarische Jüdinnen nicht an einer Veranstaltung zu rechtsextremen Strukturen teilnehmen?
Das über Jahrzehnte gewachsene Selbstverständnis, Zivilgesellschaft, Kirchen und die etablierten Parteien seien über parteiprogrammatische Unterschiede hinweg Verbündete im Kampf gegen autoritäre und extremistische Kräfte, steht in Frage. 80 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes wird der Einsatz für die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen in Deutschland als ein „linkes“ Projekt dargestellt – just in dem Moment, in dem individuelle Freiheit und rechtliche Gleichstellung so selbstverständlich scheinen wie nie zuvor.
Das Panel diskutiert über den Zustand der deutschen (Zivil-)Gesellschaft, den Sinn politischer Kategorien und Strategien gegen autoritäre Tendenzen im Inneren und von außen.

